Just leaving on a slow train…

So, das ist mein letzter Eintrag aus Kolkata. Hab mich so einigermaßen an die Umstände hier gewöhnt und meine Laune ist auch wieder deutlich besser. Die Sonntage hier sind doch einigermaßen entspannend, die Händler anscheinend zu Hause und die Straßen fast leer.

Aus dem Internet hatte ich erfahren, dass es ein gutes Konzert mit klassischer indischer Musik geben soll (Table, Sitar, Flöte etc.). Ich also die Adresse rausgepickt, in Google-Maps eingegeben, und siehe da, Google hat mir die Karte mit der richtigen Adresse ausgespuckt. Wer hätte das gedacht! Und wer hätte gedacht, dass das bei weitem nicht ausreicht, um auch tatsächlich zum Ort des Geschehens zu finden… Zu dem Zeitpunkt war ich aber noch sehr optimistisch. Und der Ort war gerade so weit, dass ich einer Stunde zu Fuß dort sein konnte und mir dabei auch mal andere Teile der Stadt ansehen konnte. Ich also um halb vier los. Um fünf war „Anpfiff“ durch die Flötenspieler.

Dumm nur, dass die Adresse anscheinend nur im Internet existierte, nicht aber in der kolkatischen Realität. Zumindest nicht an diesem Tag. Vielleicht benennen die ja Sonntags auch die Straßen um. Würde eh keiner mitkriegen, weil die hier weitgehend auf Straßenschilder verzichten… Ich bin jedenfalls 2 Stunden rumgeirrt, habe alle Straßen auf der Karte gefunden, die um das gekennzeichnete Ziel lagen – also wirklich alle, bis auf die, zu der ich wollte. Wie machen die so was nur? Ich kenn das höchstens von Copperfield. Und ob der ganze Straßen einfach so mal verschwinden lassen kann, daran hab sogar ich Zweifel… Jedenfalls war’s letztlich nichts mit meinem Kulturevent. Aber einen schönen Spaziergang hatte ich trotz allem… Ich hab das später bei Google noch mal überprüft. Ich war am richtigen Platz. Nur die Straße halt nicht. Merkwürdig, merkwürdig.

In knapp 3 Stunden geht mein Zug in Richtung Bodhgaya. Ich komm gegen 23.00 Uhr in Gaya an und werd mir dort für die Nacht erst mal eine Bleibe suchen und dann morgen früh mit dem Taxi weiter nach Bodhgaya zu meiner Erleuchtung fahren. Ich meine, das letzte Mal ist jetzt 2800 Jahre her. Da wird’s doch Zeit für ein zweites Mal, oder was meint Ihr? Vielleicht kann ich euch ja dann bald schon Nachrichten zukommen lassen ohne technische Hilfsmittel zu benutzen. Oder Straßen auftauchen und verschwinden lassen… Mal sehen! Bis bald…

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Geht doch!

Ist schon irre, was die Inder so alles können und dann auch noch zu meinem Abschied aus Kalkutta veranstalten. Kaum saß ich Zug fing es draußen an zu regnen und zu hageln. Da fehlen selbst mir die Worte. Keine Ahnung wie die das hingekriegt haben. War super! Gut gemacht, Jungs…

Und auch der Zug. Das war im Vergleich zur Mumbai-Kolkata-Route schon eine andere Liga. Die Waggons recht neu. Innen alles sauber. Selbst die Toiletten in tadellosem Zustand. Scheint so, dass die Züge nach Delhi vom Feinsten sind. Wahrscheinlich trauen die sich nicht, die Schrottteile, die auf den anderen Strecken unterwegs sind in ihre Hauptstadt zu schicken. Mir soll’s in dem Fall recht sein. Und es geht noch weiter… Kaum sitze ich an meinem Platz, kommt schon ein Steward und fragt mich ob ich mein Dinner vegetarisch oder nichtvegetarisch möchte. Hört, hört! Ich hörte auf meinen Magen und bestelle vegetarisch. Gute Wahl! Und zuvor gab’s noch leckere Sandwiches und Gebäck und Tee und und und… Ich konnte es gar nicht fassen. Auf dem 33-Stunden-Ritt von Mumbai gab’s nämlich nur eins: Nichts! Und das die ganze Zeit.

Und dann beglückte uns auch der bahneigene DJ die ganze Fahrt über mit indischen Weisen. Weltberühmte Ragas die keiner kennt. Untermalt mit dem Rattern des Zuges und diversen Handyklingeltönen… Ich hab eh den Eindruck dass hier eine Milliarde Menschen im Besitz von ca. zwei Milliarden Handys sind. Das ist wie in Italien. Ich glaube selbst die Bettler haben irgendwo so’n Teil und checken damit die besten Plätze.

Das war eine gute Fahrt. Als die vorbei war (leider schon nach fünfeinhalb Stunden) kam dann der weniger angenehme Teil des Abends…

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Oh my goodness!

Mein Plan sah wie folgt aus: Nach meiner späten Ankunft in Gaya wollte ich die Nacht dort verbringen und dann am nächsten Morgen mit Taxi oder Motor-Riksha nach Bodhgaya weiter. So weit der Plan. Und der war gut. So gut, dass ihn offensichtlich hunderte andere auch hatten. Jedenfalls bin ich mit dem Tuck-Tuck mitten in der Nacht von einem zum nächsten Hotel gegondelt und: alle voll. Keine Chance. Wir waren im Tuck-Tuck mittlerweile zu zweit. Ein Student aus Holland hatte sich mir angeschlossen, da wir das gleiche Ziel hatten. Also blieb nur, in der Nacht – es war mittlerweile schon fast Mitternacht – mit der Rikscha gleich nach Bodhgaya fahren und schauen ob wir dort noch eine Bleibe für die Nacht finden. Ich hatte mich vorher schon ein wenig informiert und hatte auch schon einen Favoriten: das Kirti Guest House. Ein Mittelklasse-Hotel, das vom tibetischen Kloster gegenüber geführt wird und ganz gute Kritiken erhalten hatte.

Mit der Riksha nachts auf der Landstraße ist ja schon Abenteuer genug. Die Riksha ist in der Straßenverkehrs-Evolution so ziemlich das schwächste Wesen, neben dem Fußgänger… Und auf der Straße waren fast nur LKW unterwegs. Und die stehen in der Hierarchie gaaanz weit oben. Und so benehmen die sich auch. Bei unserer Ankunft war ich jedenfalls hellwach und hatte einen deutlich überhöhten Adrenalinspiegel. Und der sollte gleich noch weiter steigen…

Gelandet sind wir schließlich im Lakshmi Guest House… Die wahrscheinlich abgerockteste Bude in ganz Bodhgaya. Aber es war dunkel, man hat nicht viel gesehen und jetzt war eh schon alles egal. Der Portier zeigte mir mein „Zimmer“ – und weg waren all die guten Gefühle, die sich auf der Bahnfahrt so schön aufgebaut hatten. Das war wirklich ein Loch. Ich weiß nicht ob in den letzten Jahren irgend jemand mal das Bad betreten hatte. Jedenfalls niemand mit einem Putzlappen in der Hand. Und ich hatte nicht vor, diese Tradition zu unterbrechen. Also gleich ins Bett, oder soll ich lieber sagen ins Brett! Auf dem Fußboden zu schlafen wäre nicht härter gewesen. Macht nix. Erst mal frische Luft rein lassen… Dumm nur, dass das einzige Fenster in dem winzigen Raum nicht nach außen sondern lediglich zum Flur hin ging. Mahlzeit! Das wird ’ne Nacht. Stickige heiße Luft in einem 5-Quadratmeter-Irgendwas mit einem Wand-Ventilator, der in alle Richtungen bließ, nur nicht dahin wo ich lag. Und das in einem so winzigen Raum! Die haben’s einfach drauf hier.

Geschlafen hab ich kaum und um sechs in der Früh war ich putzmunter und fest entschlossen sofort auszuchecken und mir ’ne andere Bleibe zu suchen. Ich also raus aus’m Haus – und stehe mitten im Slum von Bodhgaya. Müll, Dreck, Gestank und kackende Kinder. So hab ich mir meine Ankunft hier nicht vorgestellt. Aber ich bin halt in Indien. Da sind die Dinge auch mal anders als erwartet.

Ich also schnurstracks zwischen den Hütten durch Richtung Zentrum. Nach wenigen Minuten hatte ich das Kirti Guest House auch gefunden. Es war zwar noch sehr früh, aber die Rezeption war besetzt. Und die hatten auch ein Zimmer für mich… Leider im Keller, ohne Fenster. Ich krieg die Krise. Also auf zum nächsten Hotel. Die hatten erst mal mehrere Zimmer für mich zur Auswahl. Was ich wollte, war ein Zimmer mit Aussicht. Das hätte ich vielleicht näher definieren sollen. Aussicht von Zimmer Nummer eins: Ein Müllberg hinterm Haus. Aussicht von Zimmer Nummer zwei: eine Mauer ca. ein Meter entfernt. Die haben doch einen an der Klatsche! Bei Zimmer Nummer drei war dann alles o.k.! Ich also vom 4. Stock wieder runter und wollte das Zimmer buchen, da sagt mir der mittlerweile ausgetauschte Herr hinter der Rezeption, dass nichts frei sei. Die Zimmer sind alle reserviert. Grrrrr! Ich hab’s noch bei 2 anderen Häusern probiert, überall das gleiche. Was blieb mir also anderes übrig, als demütig zurück zum Kirti zu gehen und das Kellerzimmer zu nehmen. Das war wenigsten tiptop sauber.

Aber! Das Zimmer war mittlerweile weg. Und gerade als ich schon aufgeben wollte, fragt mich der Manager ob ich ein Zimmer mit Balkon und Aussicht auf das tibetische Kloster haben möchte! Auf gar keinen Fall! Nein, bloß nicht! Im Ernst, ich hab natürlich sofort zugesagt und kurz drauf eingecheckt. Und jetzt habe ich ein wunderschönes Zimmer mit Balkon, Ausblick und toller Atmosphäre… Das Leben ist gut zu mir. Nur manchmal braucht es halt ein bisschen…

Om mani padme hum! ॐ मणिपद्मे हूँ

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So sieht’s nämlich aus!

Nur dass ihr euch mal so eine kleine Vorstellung machen könnt, von wo aus ich gerade meine Artikel schreibe und ins Internet stelle 🙂 Hammer, oder? HighTech in Ruinen. Dennoch befinde ich mich genau gegenüber von der Tempelanlage. Luftlinie 50 Meter. Das hilft natürlich ungemein, kreativ zu sein… 😉

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Hard Night!

Der Bundesstaat Bihar gehört zu einem der ärmsten Regionen Indiens. Bis auf Bodhgaya gibt es hier für Besucher wirklich kaum was zu sehen. Und das spürst du überall. Zuerst mal an der Bettlerdichte, die hier besonders hoch ist. Sicher auch, weil die tausende Mönche, die hier von überall aus der Welt hinkommen gütige und spendierfreudige Menschen sind. Zum anderen auch an der Dichte der Stromausfälle. Die ist gigantisch! Wenn der Strom weg ist, springen sofort im ganzen Ort die Dieselgeneratoren der Hotels und Geschäfte an und die Abgase vermischen sich mit dem allgegenwärtigen Staub, der sich hier übrigens auch sehr zuhause zu fühlen scheint. Und gestern war’s besonders schlimm. Hier war Feiertag, und die Jungs vom Elektrizitätswerk hatten sich wohl aus dem sprichwörtlichen Staub gemacht. Jedenfalls ging ab zehn Uhr abends nichts mehr. Eigentlich nicht schlimm, denkt man sich… Plötzlich war es angenehm ruhig auf den Straßen und es fiel auch kein störendes Licht durch die Zimmerfenster. ABER..!

Auch der Ventilator stellte natürlich seinen Dienst ein. Und nahm ihn für diese Nacht auch nicht wieder auf. Nach ungefähr einer Stunde war es in dem Zimmer nicht mehr auszuhalten. Obwohl ich Fenster habe, die innen mit einem Fliegengitter versehen sind, und sich somit gefahrlos öffnen lassen. Bodhgaya hat nämlich im Umland einiges an stehenden Gewässern zu bieten – und das wiederum ist die Heimat von abertausenden Moskitos. Und als hätten sie’s gewußt, (oder hatten die auch Feiertag?) waren gestern ALLE im Ort. Und ich meine wirklich alle! Und irgendwie schaffen es doch immer ein paar wenige, ins Zimmer zu gelangen. Jedenfalls war ich nach kurzer Zeit schon ziemlich verstochen. Ich wäre zu diesem Zeitpunkt gerne in Garmisch im Schneegestöber gewesen, glaubt mir! Doch ich hatte mir vor der Abreise ein Moskitonetz beim Conrad gekauft. Und dessen große Stunde sollte jetzt schlagen. Ich das Ding ausgepackt und zum ersten mal zusammengebaut (ja man muss manche Moskitonetze erst zusammenbauen!). Das dauerte ungefähr weitere 5-6 Stiche. Dann irgendwie an der Wand befestigt und übers Bett gehängt. Und es hat geholfen. Jetzt das Fenster noch auf und möglichst schnell und möglichst als einziges Lebewesen unters Netz ins Bett schlüpfen. Na ja, zwei von den Biestern haben den Weg rein dann doch auch noch gefunden, aber das sollten die gleich bitter bereuen… Frohe Inkarnation wünsch ich da nur!

Heute morgen ging dann der Ventilator wieder und ich bließ ungefähr 100 Moskitos aus dem Zimmer raus. Ich hoffe, das war denen eine Lehre und die lassen mich jetzt erst mal in Ruhe!

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Tag 2 in Bodhgaya

Irgenwie schafft es Indien es doch immer wieder, mich versöhnlich zu stimmen. Eigentlich jeder Tourist, den ich hier getroffen habe, beginnt nach kurzer Zeit, sich den Menschen hier zu verschließen. Das ist schade und gleichzeitig verständlich. Die Einheimischen hier um den Tempel sind nicht besonders freundlich und wenn sie es mal sind, nur um dich nach dem dritten Satz um Geld zu bitten oder dir was verkaufen zu wollen. Das macht einfach mißtrauisch und du vermutest hinter jeder Kontaktaufnahme von vorne herein ungute Absichten.

Heute bin ich mal zum Fluß runter. Und was soll ich sagen, der gleiche Zauber wie in Kolkata. Der Fluß war weg, aber wenigstens das Bett war noch da! Wie machen die das nur? Nein, im Ernst. Hier hat es seit Oktober nicht mehr geregnet und der Fluß führt erst ab Mai/Juni wieder Wasser. Bis dahin machen die Inder damit, was sie mit jedem freien Platz machen. Sie werfen ihren Müll hin. Hier gibt es keinerlei Verständnis für Natur oder für Sauberkeit. Niemand fühlt sich auch nur im geringsten zuständig. Ich denke, dass das eines der dringlichsten Probleme des Landes ist, das es zu lösen gilt. Aber wenn der Magen knurrt, ist dir die Umwelt recht egal. Das ist hier nicht anders als in den meisten Ländern der 3. Welt.

Trotzdem war die Landschaft hier am Fluß sehr schön. Und um wieviel schöner wäre es hier ohne den Müll. Und am Ufer entlang führte ein schmaler Pfad zurück zum Ort. Ich also abgebogen und habe erst mal die Ruhe genossen. Ich glaube das war das erste Mal seit ich Indien bin und es draußen ruhig war! Der Weg endete nach rund einem Kilometer. Also über die Mauer rüber und runter ins trockene Flußbett. Jetzt wurde schnell klar, wozu die Abwesenheit des Wassers noch genutzt wurde. Sehr offensichtlich war das die öffentliche Toilette der halben Stadt. Also: Watch your step! And so I did…

Da ich sehr achtsam sein musste, war mein Geist sehr wach und ich konnte spüren, wie das alltägliche Leben jenseits der Touristenzentren ablief. Trotz der Umstände waren die Menschen hier heiter und manchmal sogar etwas ausgelassen. Viele nutzen das ausgetrockenete Bachbett offensichtlich auch als direkten Weg zum gegenüberliegenden Ufer, das ca. einen Kilometer entfernt liegt. Hier war richtig Verkehr. Waren wurden transportiert und die Kinder spielten Kricket im tiefen Sand. Als ein verkrüppelter Mann auf allen Vieren meinen Weg kreuzte, war es ganz selbstverständlich, ihm ein wenig Geld zu geben. Auch wenn er nicht darum gebeten hätte.

Nach gut einer Stunde Fußmarsch fand ich wieder einen Weg zurück in den Ort. Allerdings war ich sehr viel weiter gegangen als gedacht und ich fand mich in den Gassen von Bodhgaya wieder, ohne so ganz genau zu wissen, wo ich war. Von den Türmen der Tempelanlage weit und breit nichts zu sehen. Na ja, irgendwie wird’s schon wieder zurückgehen.

Und siehe da, die Menschen die hier ihr tägliches Leben ohne uns Touristen leben, waren offen freundlich und haben gelacht als sie mich so verschwitzt und offensichtlich ohne Orientierung durch IHRE Straßen haben laufen sehen. Da hilft nur zurücklachen. Plötzlich ist es als würdest du in ein anderes Indien eintauchen. Völlig sicher, dass nichts passieren wird. In den Blicken der Menschen Offenheit und auch etwas Respekt mir gegenüber. Ich glaube nicht, dass sich sehr viele Touristen in diesen Teil der Stadt verirren… Und hier kannst du dann auch mal an einem Geschäft oder Gemüsestand stehen bleiben. Die Menschen sind neugierig und freuen sich, wenn du ihre Fragen beantwortest. Und noch mehr freuen sie sich, wenn du Interesse an ihnen und ihrem Leben zeigst. Für mich war das heute ein ganz besonderer Tag und wird mir lange im Herzen bleiben…

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