The heat is on…

var_2603-3473s.jpgWie ihr vielleicht schon bemerkt habt, bin ich etwas schreibfaul geworden. Das liegt vor allem an den „klimatischen Bedingungen“. Die Hitze liegt wie wie ein dicker, schwerer Teppich über der Stadt. Während es in den Orten zuvor meist heiß und trocken war, gibt hier Mutter Ganges noch ihren Teil an Luftfeuchtigkeit dazu.

Die beste Zeit für Unternehmungen ist somit morgens kurz nach Sonnenaufgang bis ca. 10 Uhr – wobei da die Hitze schon kaum noch auszuhalten ist – und die Abendstunden ab 18:30 Uhr. Dann wird es bald dunkel und am Dasaswamedh Ghat beginnt die Puja-Time. Gläubige Hindus und auch Touristen entzünden dann Kerzen und übergeben sie in kleinen Schiffchen aus Blättern dem Ganges. Je länger das Schiffchen an der Wasseroberfläche bleibt, umso mehr Glück bringt es dem, dem die Gabe oder das Opfer (puja) gewidmet wurde.

Sich in Varanasi zu bewegen ist aber nicht nur aufgrund der Temperatur anstrengend. Die Ghats und und die Gassen der Altstadt liegen am Hang und so steigst du den ganzen Tag lang Treppenstufen. Die Plattformen der Ghats liegen immer auf unterschiedlichen Niveaus und wenn du von einem zum anderen Ende möchtest dauert das ca. eineinhalb Stunden und du machst dabei einiges an Höhenmetern 🙂 Treppauf, treppab, treppauf, treppab und so fort…

Ich glaube ja, ich könnte mit verbunden Augen die einzelnen Ghats bereits am Geruch unterscheiden. Am einfachsten sind die Burning Ghats zu identifizieren, hier riecht’s halt immer verbrannt. Dann gibt es ein paar Ghats, die dienen den Einheimischen zur Verrichtung der Notdurft – hier steigt der Geruch streng ins Kleinhirn und verweilt dort leider auch eine ganze Zeit. Dann gibt es aber auch die wohlriechenden Ghats wo Räucherwerk verbrannt wird oder der Duft von Kokosöl, das für die Massagen eingesetzt wird, sich mit Gerüchen von Essen, Blumen und Gewürzen vermischt. Also das hat was!

Ich mach die Tour am Tag mindestens zwei bis dreimal hin und zurück. Das liegt zum einen daran, dass die netten Terrassencafés – wo man auf Matratzen liegend Sweet Lassi trinkt und darüber rätselt, ob und in welche Richtung der Ganges denn nun eigentlich fließt – halt ein gutes Stück vom Hotel weg sind. Und zum anderen ist die Stadt auf Dauer doch recht eintönig und dann gehste halt spazieren, weil’s auf Hotelzimmer ja nun auch nicht wirklich spannend ist. Allerdings ist es dort kühl…

Der Kampf gegen die Langeweile scheint meine Hauptaufgabe hier in Varanasi zu sein. Das liegt aber nicht zuletzt an der Sprache. Die normale Konversation des Alleinreisenden besteht zu 85 % aus „No thank you, Sir“ ergänzt um den jeweiligen Gegenstand des aktuellen Angebots: Bootsfahrten, Haschisch, Massagen, Bootsfahrten, Getränke, Haschisch, Seide, Anything, Haschisch, Bootsfahrten und nicht zu vergessen die hunderte Bettler mit ihrem Bitten um Geld. Seit gestern schein übrigens eine Ladung Kokain Varanasi erreicht zuhaben. Jedenfalls fassen sich seitdem einige dutzend Händler ständig an die Nase, wenn Sie mich sehen und flüstern ein Wort, das Kokain schon sehr nahe kommt. Mal was Neues..! Mein Bedürfnis, Hindi sprechen zu können wächst jedenfalls von Tag zu Tag. Mir liegen schon ein paar nette „Anregungen“ für die Einheimischen auf der Zunge. Aber ich denke das ist eher was für zu Hause. Hier lern ich das in so kurzer Zeit nicht. Seriöse Kurse dauern mindestens 4 Wochen und man ist dann meist bei Gastfamilien untergebracht, wo man das gelernte gleich anwenden kann. Aber ich bin ja noch jung, und wer weiß 😉

Und noch ein Tipp für Varanasi-Besucher: Achte immer genau darauf, in was du gerade getreten bist! Für alles andere ist es dann eh zu spät…

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Kein Strom am Ganges

var_2603-3523s.jpgGalis, so nennen die Inder die kleinen Gassen, die sich labyrinthartig durch Varanasis Altstadt schlängeln. Obwohl ich mich ständig in ihnen bewege, vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht mindestens einmal verlaufe. Irgendwie sehen die jeden Tag anders aus. Ich merke mir immer schon markante Kennzeichen am Weg, um zu wissen, wo ich abbiegen und wo ich geradeaus weiter gehen muss. Dumm nur, dass ich die Kennzeichen oftmals schon gar nicht erst finde, weil ich an einer eher unscheinbaren Stelle, die ich aber genau wieder zu erkennen glaubte, falsch abgebogen war. Und je länger ich hier bin, um so schlimmer wird es. Die kleinen Tempel, an denen ich mich anfangs orientierte haben überall in der Stadt Zwillingsbrüder und -schwestern. Und je mehr es werden, umso weniger sind sie eine Hilfe bei der Orientierung. Das gleiche passierte dann nach und nach mit auffallenden Läden, Brunnen oder etwa den Kühen, die am Anfang immer an der gleichen Stelle zu liegen schienen 😉

Tagsüber macht das ja noch Spaß, denn es ist kühl in den schattigen Gassen und irgendwie kommst du doch wieder an einen Punkt des Wiedererkennens. und wenn gar nichts mehr geht, orientierst du dich halt in Richtung der Ghats und stehst (theoretisch) nach wenigen Minuten wieder am Ganges und weißt wo’s lang geht.

Anders sieht es da schon am Abend aus. Vor allem wenn, wie eigentlich täglich, der Strom für längere Zeit ausfällt. Dann sind die tagsüber schon recht lichtarmen Gassen einfach nur stockdunkel. Du siehst kaum noch die Hände vor den Augen, geschweige denn irgend einen Anhaltspunkt zur Orientierung. Komischerweise bin ich da noch nie in irgendwas rein getreten. Als ob die alles wegräumen würden, sobald man es nicht mehr sehen kann… Indien ist und bleibt merkwürdig! Trotzdem ist das schon ein sehr mulmiges Gefühl, so gar nicht mehr zu wissen wo du dich gerade befindest. Und stehen bleiben ist ja auch keine Lösung. Stromausfälle können schon mal die ganze Nacht andauern. Aber ich habe noch jedes mal heile ins Hotel zurückgefunden – und mir jedes mal geschworen, beim nächsten Mal die Stirnlampe dabei zu haben. So viel zur Theorie 😉

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Störenfried

var_2603-3459s.jpgAlso vorgestern muss ich irgendetwas getan haben, was einen Mann unten am Ghat vorm Hotel gegen mich aufgebracht hat. Nach langem Überlegen habe ich zwar einen Verdacht, aber so ganz sicher bin ich mir nicht.

Neben dem Hotel liegt die berühmte und verehrte Manikarnika Quelle. Das ist ein Becken, das wie eine umgedrehte Pyramide aussieht, dessen unterer Bereich mit Wasser gefüllt ist und in dem die Gläubigen ein Bad nehmen. Parvati, Shivas Frau, hatte hier angeblich ihren Ohrring verloren und Shiva himself soll das Becken gegraben haben um ihn wieder zu finden. Der Schweiß seiner anstrengenden Arbeit hat dann den Boden des Beckens gefüllt – und darin baden heute die Gläubigen.

Wenn ich zur Altstadt will, muss ich den schmalen Pfad, der an der Quelle vorbeiführt passieren. Am Samstag waren dann dutzende von Pilgern in dem Becken um ihr rituelles Bad zu nehmen. Und die, die herausstiegen kamen mir nun alle entgegen. Oder vielmehr war ich wohl der „Geisterfahrer“ und kam ihnen entgegen. Das war zu viel für den Mann, der Tag für Tag auf seiner Pritsche unter dem Zeltdach gegenüber hockt und (glaube ich zumindest) meist schlecht drauf ist. Am ersten Tag hat er mich gleich gefragt wie ich heiße, woher ich komme und ob ich ein Boot bräuchte… Ich habe alle drei Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, wobei ihm Antwort 3 nicht so gefiel. Sei’s drum. Jedenfalls bin ich seitdem für ihn nur noch der „German“!

Und so rief er mir Samstag nachmittag zu: „Hey German, you have to listen, otherwise you cannot take this way anymore!“ Ich hab natürlich nicht verstanden worum es geht und ihm auf’s Geratewohl geantwortet, dass wenn ich jedem zuhören würde, der mir hier etwas zuruft, ich in kürzester Zeit den Verstand verlieren würde. Das trug allerdings nicht zu seiner Beruhigung bei. Er rief dann noch etwas von Krieg zwischen India und Germany und meinte damit wohl eher uns beide… Ich musste nun wirklich lachen, grüßte freundlich und ging meines Weges. Mal schauen, ob ich die Kriegserklärung bei einer Tasse Chai wieder vom Tisch kriege. Leider ist der gute Mann seitdem wie vom Erdboden verschluckt. Womöglich bringt er gerade seine Armeen in Stellung!

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Want Massage? Yes!

Gestern war’s dann also soweit. Nachdem mich die Masseure am Main Ghat jetzt schon seit meiner Ankunft belagern und mir dutzende Male die immer gleiche Frage gestellt haben, war ich gestern an dem Punkt wo ich bereit war, mir eine schöne Rückenmassage verpassen zu lassen. Einer von den Jungs schien recht vertrauenswürdig und sah auch einigermaßen sauber aus. Ich also inmitten dutzender Massage-Inder Blickkontakt mit ihm aufgenommen und ihm zugenickt. Er kam dann auch sofort auf mich zu und ich gab ihm das schon seit Tagen angekündigte „yes“.

An den Ghats sind überall recht rustikale Liegen aus derben, schiefen Brettern aufgestellt, auf die du dich bei der Massage hockst oder legst. Bequem sieht definitiv anders aus. Ich also gleich in Richtung der Liegen, als mich mein „Freund“ zurückrief. „Today Festival, other place!“ Na prima, wo der mich jetzt wohl hinführt. Ich begann sofort meinen Entschluss zu bereuen. Hier ist nie etwas so, wie du es erwartest. Und jetzt muss ich wer weiß wo hin um ein wenig Entspannung für meinen Rücken zu bekommen.

Weit gings dann aber nicht. Die Jungs wissen sich halt zu helfen. Und so bot man mir ganz selbstverständlich einen Platz auf den STEINSTUFEN!!! des Ghats an. Ich meine, wenn die Holzpritschen schon heftig sind, die Steinstufen sind mal so richtig hart. Wie hart, sollte mir gleich klar werden!

Der Masseur meines Vertrauens war natürlich gar keiner, sondern wieder mal nur ein Schlepper, dessen Job es ist, dämliche Touristen wie mich zu seinen Auftraggebern zu bringen. Seine Provision zahlst du natürlich voll mit. Aber da war es für einen Ausstieg eh schon zu späte und Wort ist halt Wort, gell!?

2 Minuten verbrachte ich im Sitzen und gleich 2 Masseure begannen ihr Werk. Kurz darauf baten sie mich, mich auf den Bauch zu legen. Jetzt ginge es nämlich richtig los. Wer sich jetzt vorstellt das Ganze sei womöglich eine angenehme, vielleicht sogar wohlriechende und unter Verwendung feiner Öle stattfindende Geschichte, dem sei gesagt: Wo anders vielleicht. Aber nicht hier. Und nicht heute. Was ich bekam war Hardcore-Massage vom Feinsten! Kein Öl, dafür rauhe schwielige Hände. Und grob ging’s zu. Mir war eher, ich befinde mich in einem Art Boxkampf als bei einer Massage. Aber was haben wir im Westen auch nur für völlig realitätsfremde Vorstellungen. Wieso in aller Welt sollte eine Massage angenehm sein?? 😉

Im Nachhinein muss ich allerdings sagen, die Jungs verstehen ihr Handwerk. Und als solches betrachten sie es auch. Auf meine Frage, ob er spürt, wenn im Körper irgendetwas nicht in Ordnung sei, antwortete er nur mit „only massage“… Auch gut. Nachdem meine oberste Hautschicht komplett weggeknetet war und jedes Gelenk mindestens einmal zum Knacken gebracht war, war ich schon auf eine gewisse Art entspannt. Vielleicht auch nur, weil es jetzt endlich vorbei war. Aber meine Schmerzen in den Waden waren weg und auch mein Rücken fühlte sich entspannt an. Gar nicht schlecht. Nicht so wie ich’s mir vorgestellt hatte, aber nicht schlecht.

Die Preisverhandlungen waren dann wieder mal zum Piepen. Ich sollte natürlich den eh schon überzogenen Preis gleich zweimal zahlen. Ich hatte ja auch 2 Masseure… Mittlerweile muss ich da jedes Mal richtig loslachen, weil die Forderungen teilweise so frech und abstrus sind, dass es schon wieder lustig ist. Die probieren’s halt. Aber ich war ja jetzt entspannt und am Ende zahlte ich den üblichen Touristenpreis – und auch nur einmal.

Meine Haut brannte immer noch, aber ich dachte morgen werd ich erst so richtig spüren, wie gut das jetzt war… Die Hoffnung stirbt halt doch zuletzt.

Aber das war noch nicht das einzige Highlight am gestrigen Abend…

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Disco-Burning

Im leicht entspannten Wiegetritt bin ich dann also die Ghats entlang Richtung Hotel gelustwandelt. Völlig entspannt im Hier und Jetzt. O.K, die Haut brannte teuflisch und meine Beine taten noch weh von der groben Behandlung. Aber morgen soll das ja… ihr wisst schon.

Als ich dann so gegen Acht an den Burning Ghats ankam und der Bestattungsbetrieb in vollem Gang war, traute ich weder Augen noch Ohren. Aber es war alles genau so da!

Vor mir stand der kleine Tempel oberhalb der Scheiterhaufen – eigentlich wie immer. Aber heute war das ganze Gebäude mit tausenden von blinkenden Lichtern bestückt. Und davor waren ca. 20 Lautsprecher zu einer mannshohen Schallwand aufgetürmt. Mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke entfuhr ihnen Musik, die ich durchaus als indische Discomusik bezeichnen würde. In Wahrheit bzw. für indische Ohren waren das aber ganz ganz heilige Lieder, nur halt etwas „aufgepeppt“. Und dazu die Weihnachtsbeleuchtung! Unfassbar. Irgend ein wichtiger heiliger Mann saß in dem Tempel. Ich riskierte auch einen Blick. Der Gute war vielleicht Mitte 30 , hatte lange Haare und sonst nicht viel am Leib. Er saß da unter einem Baldachin aus Blumengirlanden und sang seine Mantras in den nächtlichen Himmel und die Gemeinde klatschte sich in Ekstase. Untermalt von Disco-Klängen!

Und keine 5 Meter daneben saßen die Angehörigen und trauerten mitten in diesem Irrsinn um ihre Angehörigen, die gerade vor ihnen in Flammen aufgingen.  Und man konnte den Eindruck gewinnen, dass heute ein ganz besonders guter Tag war, um verbrannt zu werden. Irgendwie unterhaltsamer und heiliger als sonst. Das gibt’s halt nur in Indien!

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Ghat mit Euch

Morgen früh werde ich Varanasi in Richtung Rishikesh verlassen. Die letzten Tage waren sehr schön hier, aber jetzt reicht’s auch wieder. Heute habe ich ein T-Shirt entdeckt mit dem Aufdruck: „No Boats, No Massage, No Drugs, No Postcards, No Silk, NO PROBLEM!“. Da hätt ich mir gleich am ersten Tag kaufen sollen. Hätte vielleicht das ein oder andere von vorneherein klar gestellt 😉 , mich aber vielleicht auch um die ein oder andere Erfahrung gebracht….

Gestern abend habe ich dann auch endlich meine Puja-Kerzen in den Ganges entlassen. Insgesamt waren es 15 Schälchen mit Kerzen und Blumen, die ihren Weg Richtung Meer angetreten sind. Aber eigentlich schwimmen sie ja in Richtung Herzen… Während das Anzünden und ins Wasser setzen nicht ganz so war, wie ich mir das vorgestellt hatte – du bist halt hier nirgendwo für dich und darfst auch nicht wirklich Rücksicht erwarten – war mein Gebet für alle, die mir zu Hause lieb und wichtig sind um so intensiver. Ich hoffe, ein wenig davon ist bei euch angekommen! Und jetzt nicht streiten, wer dabei war oder nicht! Für jede(n) war ein Plätzchen im Schälchen! 🙂

Gefühlt bin ich bereits ein halbes Leben hier, und das Erlebete reicht auch für mindestens ein Leben, tatsächlich sind es gerade mal etwas mehr als 3 Wochen. Und 4 Wochen liegen noch vor mir. Was wird mich wohl noch erwarten? Jetzt geht es erst mal Richtung Himalaya. Vielleicht find ich ja die Ruhe, mich 1 oder 2 Wochen in Rishikesh in einen Ashram zurückzuziehen und mit dem stillen Teil der Reise zu beginnen. Aber es ist nicht einfach die Bremse zu finden, wenn du immer in Bewegung bist… und das Land ist so riesig und es gibt sooo viel zu sehen und zu erfahren. Wir werden sehen. Wenn der Trek nach Gangotri zur Gangesquelle möglich ist, möchte ich den auf jeden Fall mitnehmen. Dann geht’s auf 3500 Meter rauf und ringsum stehen die 6- und 7Tausender der Himalaya-Ausläufer. Da krieg ich jetzt schon Gänsehaut, wenn ich es mir nur versuche vor zu stellen… Aber, wenn ich eines hier gelernt habe, dann dass meine Vorstellungen und die Realität nur ganz ganz selten übereinstimmen 😉 Manchmal werden sie übertroffen und manchmal, na ja… ihr habt’s ja gelesen. Zumindest war’s bis heute nicht einmal langweilig!

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