März 19, 2009 | Allgemein, Kolkata
Hallo Leute, ich bin wieder da! Und erst mal Danke für die tollen Kommentare und Mails, die mich hier in Kolkata erreichen! So ein bisschen Heimat tut schon gut 🙂
Nachdem mich das Eisenmonster vorgestern früh um 6 Uhr geschluckt hat, spuckte es mich 33! Stunden später in Kolkata wieder aus. Mein Chauffeur hat mich natürlich am Morgen um 5 versetzt und ich fing an erst mal einige Taxifahrer zu wecken. Die schlafen nachts in ihren Taxis – für mich ein großer Vorteil. Jetzt gab’s 2 Probleme zu lösen: Der Fahrer musste schnell wach werden und kapieren worum’s ging. Und bevor er wußte, worum es ging – nämlich um eine ziemlich kurze und wenig ertragreiche Fahrt musste mein Gepäck schon im Taxi sein. Da hilft es ein wenig, dass alle glauben man wolle zum Flughafen. Und das wäre eine lange und „teuere“ Angelegenheit.
Beim zweiten Kutscher hat’s dann geklappt und ich war rechtzeitig am Bahnhof. Wenn man mal kapiert hat, wie das System funktioniert, ist es ganz einfach, sich an den riesigen Bahsteigen zurechtzufinden um auch das richtige Abteil zu finden. Nun ja, ich hab erst mal lange nichts kapiert… Aber ein hilfsbereiter Gepäckträger hat sich dann meiner angenommen und mir das Gepäck zum richtigen Waggon – davon gibt es ungefähr 25 bis 30! – und schließlich bis zu meinen reservierten Platz gebracht. Und dann stehste erst mal da und bist sprachlos! Ich werd nie wieder über die Bahn ein schlechtes Wort sagen (außer es ist berechtigt). Das ganze ist eng – wenn sich 2 gegenübersitzen ist kaum Platz für die Beine – schmuddelig (so mit Käfern und so…) und eiskalt – airconditioned halt. Und dann das Fenster. Mehr so ne Art Schießscharte aus blickdichtem Glas. Also viel zu sehen gab es auf der Fahrt nicht. Und das war ja eigentlich der Hauptgrund den Zug als Reisemittel zu wählen. Man lernt halt nie aus.
Kurz darauf stieg noch ein ind. Geschäftsmann mit ins „Abteil“ und wir verbrachten die nächsten 25 Stunden mehr oder weniger schweigend und dösend. Sehr kommunikativ war er nicht. Dennoch war die Fahrt überraschend entspannt. Gut, das ist nicht für Menschen mit verstärktem Bewegungsdrang. Aber wenn du erst mal realisiert hast, dass du hier so schnell nicht mehr rauskommst, geht’s dann schon.
5 Stunden vor Ankunft in Kolkata tat es plötzlich mehrere Schläge und der Zug hielt an. Maschinenschaden oder so was ähnliches. Ich hab nicht viel verstanden, außer dass es erst mal nicht weitergeht. Eine neue Lok muss her und das kann dauern. Tat es dann auch… Fast 3 Stunden vergingen bis zur Weiterfahrt. Aber nach 25 Stunden fallen ein paar Stunden mehr oder weniger auch nicht mehr ins Gewicht.
Die letzte Stunde setzte sich dann ein wirkliche netter Typ dazu. Revisions-Inspektor bei der Bahn. Und Christ. Das war merkwürdigerweise das erste, was er mir erzählte. Wir hatten ein wirklich tolles Gespräch über Indien, Jobs, Religionen und so ganz nebenbei weihte er mich noch in die Geheimnisse des Zugticket-Kaufens ein. Werd ich alles für meine nächste Fahrt einsetzen! Gott meint es gut mit mir…
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März 19, 2009 | Allgemein, Kolkata
Ich war ja von Mumbai schon einiges gewohnt. Aber was mich hier erwartete war ein erneuter Schock. Die schlimmsten Viertel von Mumbai entsprechen ungefähr den besseren des Zentrums von Kolkata. Dreck, aufgerissene Straßen, staubige Luft und so gar nicht entspannte Menschen. Mein Taxifahrer ging da mit gutem Beispiel voran. Ich hatte ja kein Hotel gebucht sondern musste vor Ort was finden. Ich hatte aber aus dem Reiseführer schon ein paar Tipps. Und Tipp Nummer eins war auch das Ziel der Fahrt. Dumm nur, dass der Taxifahrer überhaupt nicht wusste wo das war. Wir hielten also während der Fahrt bestimmt 6 mal an und spielten Quiz-Taxi. Ich rief also jedesmal den Namen den Hotels und die Straße und alle nickten und keiner wusste wo das sein soll. Aber ich hatte ein paar Eckdaten von wichtigen Straßen und so näherten wir uns langsam aber sicher dem anvisierten Ziel.
Kolkata hat ein sehr interessantes System, den Verkehr zu regeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass Mittags um 1 Uhr in den Einbahnstraßen die Fahrtrichtung wechselt. Warum weiß kein Mensch. Jedenfalls hatten wir nach 1 Stunde Autofahrt die Straße gefunden. Und – es war eine Einbahnstraße. Und – wir standen am falschen Ende. Der Taxifahrer war am Ende und seine Fahrweise wurde immer aggressiver. Wir haben’s geschafft und ich war echt froh aus der Kiste raus zu kommen. Mann oh Mann.
Mein Zimmer ist o.k. Nichts besonderes aber im 4. Stock gelegen, und somit relativ ruhig. Aber ich glaube nicht, dass ich sehr lange hier bleiben werde. Die Stadt ist echt heftig. Ich habe heute morgen einen riesigen Park entdeckt mit wirklich schöner Architektur und habe gleich einen Erkundungsspaziergang gemacht. Aber das machste ja auch nicht jeden Tag. Wenn nicht noch was interessantes auftaucht, bin ich ganz schnell wieder weg. Sofern die erlernten Ticket-Tricks funktionieren. Das Zauberwort für verbindliche Buchungen ist „Tatkal“ und bedeutet soviel wie Notfall. Kostet zwar 200 Rupees (ca. 2 EUR) extra, aber es gibt immer ein freies Tatkal-Kontingent auf den Zügen und somit ist ein Platz so gut wie sicher. Jetzt muss ich nur noch schauen wann ein geeigneter Zug Richtung Bodhgaya und Varanasi geht…
Aber vielleicht tue ich der Stadt ja unrecht und sie ist gar nicht so schlimm wie sie tut! Mal sehen…
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März 20, 2009 | Allgemein, Kolkata

Es gibt es dann doch, das andere Kalkutta. Aber im großen und ganzen kann ich mich mit der Stadt nicht so recht anfreunden. Während einem in Mumbai die Verkäufer auf die Nerven gingen, sind es hier die Bettler. Und die sind wirklich hartnäckig. Gestern habe ich mit ein paar Kids auf der Straße rum gealbert und ihnen dann noch ein paar Äpfel geschenkt. Ich glaub, die haben ja ein geheimes Zeichen… Innerhalb von Sekunden war ich eingezingelt von zwei Dutzend schreienden und bettelnden Kindern. Da die Nerven nicht zu verlieren ist echt harte Arbeit. Aber wie hat Rainald Götz in seinem Buch „Irre“ so treffend geschrieben: „Don’t cry, work!“ So I do…
Heute geht’s noch auf den New Market. Hier gibt’s Unmengen von Gewürzen, Gemüse, Obst und allerlei Krimskrams. Bin schon ganz neugierig…
Am Montag geht’s nach Bodhgaya und am Donnerstag weiter nach Varanasi und Sarnath. Ich bin schon gespannt, wie sich die ruhigere Phase meiner Reise gestaltet. Alles in allem ist alles easy und fühl mich von Tag zu Tag wohler hier. Die Hitze ist herrlich! Und wenn man sie mag, kann man sogar richtig Geld sparen. Klimaanlage auf’m Zimmer geht mittlerweile gar nicht mehr. Erstens sind die Dinger laut wie Hölle, kosten extra und der ständige Wechsel von kalt nach heiß nervt noch dazu. Jetzt isses halt immer heiß. Und der Ventilator reicht zum abkühlen völlig aus.
To be continued…
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März 22, 2009 | Allgemein, Kolkata
Wie schon angekündigt bin ich gleich nach meiner Internet-Session rüber zum New Market von Kolkata. Eigentlich hatte ich ja einen offenen Platz mit Händlern und Ständen im Freien erwartet. Entpuppt hat er sich dann aber als riesige Halle mit einer schmucken rot getünchten Backsteinfassade. Der Teufel kommt halt manchmal wirklich im Sonntagsgewand…
Ich also nix wie rein und kucken und vielleicht doch noch was zum Mitbringen finden. Beim Betreten öffnen sich links und rechts kleine Gässchen. Laden an Laden. Der erste Eindruck: Überwiegend Stoffe und Schmuck. Nicht so interessant. Ich hab einfach mal so vorausgesetzt, dass sich das beste Angebot im Zentrum der Halle befindet. Also nix wie gerade aus, auch, um vor den ersten Something-Sir-Indern zu flüchten. Die tragen hier kleine Einkaufskörbe und sind auch noch offiziell von der Stadt lizenziert. Also nicht nur dass die das dürfen. Das ist ihre PFLICHT! So sehen die das zumindest. Ich also schnurstracks rein ins Zentrum. Was mich dort erwartet ist kaum zu fassen. In diesen mittleren Teil der Halle fällt kaum Tageslicht. Der Gestank ist bestialisch. Ich bleibe erst mal wie angwurzelt stehen. Da lagen Erwartung und Realität in zwei komplett voneinander getrennten Universen ohne die geringste Schnittmenge. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich mich inmitten von Fleischbrocken stehen, die sich bergeweise um mich herum auftürmen. Blutlachen bedecken den Boden und dazu die Geräusche der (noch) lebenden Tiere. Und hier huschen wirklich dunkle Gestalten umher. Der Gestank nimmt noch zu. So stelle ich mir die Hölle vor! Das Zentrum des Neuen Marktes also eine riesige Schlachterei. Offen. Für jeden einzusehen. Und drum herum verkaufen die allerlei Krimskrams als wär das die natürlichste Sache der Welt. Ich muss hier sofort wieder raus. Irgendwie steht der New Market für das Prinzip Kalkutta. Sehr verdichtet halt, aber so erlebe ich diese Stadt tagtäglich. Kein Kindergeburtstag, sag ich euch.
Ehrlich gesagt zähle ich seitdem die Tage, bis ich hier weg komme. Aber ihr müsst euch keine Sorge um mich machen, mir geht’s dennoch gut. Das sind halt genau die Erfahrungen, die du in Indien machst. Und das wollte ich ja so! O.k., also vielleicht nicht genau so… 😉
Morgen geht’s nach Bodhgaya. Ich freu mich auf ruhigere Tage. Mal sehen ob’s auch so kommt…
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März 23, 2009 | Allgemein, Kolkata
So, das ist mein letzter Eintrag aus Kolkata. Hab mich so einigermaßen an die Umstände hier gewöhnt und meine Laune ist auch wieder deutlich besser. Die Sonntage hier sind doch einigermaßen entspannend, die Händler anscheinend zu Hause und die Straßen fast leer.
Aus dem Internet hatte ich erfahren, dass es ein gutes Konzert mit klassischer indischer Musik geben soll (Table, Sitar, Flöte etc.). Ich also die Adresse rausgepickt, in Google-Maps eingegeben, und siehe da, Google hat mir die Karte mit der richtigen Adresse ausgespuckt. Wer hätte das gedacht! Und wer hätte gedacht, dass das bei weitem nicht ausreicht, um auch tatsächlich zum Ort des Geschehens zu finden… Zu dem Zeitpunkt war ich aber noch sehr optimistisch. Und der Ort war gerade so weit, dass ich einer Stunde zu Fuß dort sein konnte und mir dabei auch mal andere Teile der Stadt ansehen konnte. Ich also um halb vier los. Um fünf war „Anpfiff“ durch die Flötenspieler.
Dumm nur, dass die Adresse anscheinend nur im Internet existierte, nicht aber in der kolkatischen Realität. Zumindest nicht an diesem Tag. Vielleicht benennen die ja Sonntags auch die Straßen um. Würde eh keiner mitkriegen, weil die hier weitgehend auf Straßenschilder verzichten… Ich bin jedenfalls 2 Stunden rumgeirrt, habe alle Straßen auf der Karte gefunden, die um das gekennzeichnete Ziel lagen – also wirklich alle, bis auf die, zu der ich wollte. Wie machen die so was nur? Ich kenn das höchstens von Copperfield. Und ob der ganze Straßen einfach so mal verschwinden lassen kann, daran hab sogar ich Zweifel… Jedenfalls war’s letztlich nichts mit meinem Kulturevent. Aber einen schönen Spaziergang hatte ich trotz allem… Ich hab das später bei Google noch mal überprüft. Ich war am richtigen Platz. Nur die Straße halt nicht. Merkwürdig, merkwürdig.
In knapp 3 Stunden geht mein Zug in Richtung Bodhgaya. Ich komm gegen 23.00 Uhr in Gaya an und werd mir dort für die Nacht erst mal eine Bleibe suchen und dann morgen früh mit dem Taxi weiter nach Bodhgaya zu meiner Erleuchtung fahren. Ich meine, das letzte Mal ist jetzt 2800 Jahre her. Da wird’s doch Zeit für ein zweites Mal, oder was meint Ihr? Vielleicht kann ich euch ja dann bald schon Nachrichten zukommen lassen ohne technische Hilfsmittel zu benutzen. Oder Straßen auftauchen und verschwinden lassen… Mal sehen! Bis bald…
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März 24, 2009 | Allgemein, Kolkata
Ist schon irre, was die Inder so alles können und dann auch noch zu meinem Abschied aus Kalkutta veranstalten. Kaum saß ich Zug fing es draußen an zu regnen und zu hageln. Da fehlen selbst mir die Worte. Keine Ahnung wie die das hingekriegt haben. War super! Gut gemacht, Jungs…
Und auch der Zug. Das war im Vergleich zur Mumbai-Kolkata-Route schon eine andere Liga. Die Waggons recht neu. Innen alles sauber. Selbst die Toiletten in tadellosem Zustand. Scheint so, dass die Züge nach Delhi vom Feinsten sind. Wahrscheinlich trauen die sich nicht, die Schrottteile, die auf den anderen Strecken unterwegs sind in ihre Hauptstadt zu schicken. Mir soll’s in dem Fall recht sein. Und es geht noch weiter… Kaum sitze ich an meinem Platz, kommt schon ein Steward und fragt mich ob ich mein Dinner vegetarisch oder nichtvegetarisch möchte. Hört, hört! Ich hörte auf meinen Magen und bestelle vegetarisch. Gute Wahl! Und zuvor gab’s noch leckere Sandwiches und Gebäck und Tee und und und… Ich konnte es gar nicht fassen. Auf dem 33-Stunden-Ritt von Mumbai gab’s nämlich nur eins: Nichts! Und das die ganze Zeit.
Und dann beglückte uns auch der bahneigene DJ die ganze Fahrt über mit indischen Weisen. Weltberühmte Ragas die keiner kennt. Untermalt mit dem Rattern des Zuges und diversen Handyklingeltönen… Ich hab eh den Eindruck dass hier eine Milliarde Menschen im Besitz von ca. zwei Milliarden Handys sind. Das ist wie in Italien. Ich glaube selbst die Bettler haben irgendwo so’n Teil und checken damit die besten Plätze.
Das war eine gute Fahrt. Als die vorbei war (leider schon nach fünfeinhalb Stunden) kam dann der weniger angenehme Teil des Abends…
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