Disco-Burning

Im leicht entspannten Wiegetritt bin ich dann also die Ghats entlang Richtung Hotel gelustwandelt. Völlig entspannt im Hier und Jetzt. O.K, die Haut brannte teuflisch und meine Beine taten noch weh von der groben Behandlung. Aber morgen soll das ja… ihr wisst schon.

Als ich dann so gegen Acht an den Burning Ghats ankam und der Bestattungsbetrieb in vollem Gang war, traute ich weder Augen noch Ohren. Aber es war alles genau so da!

Vor mir stand der kleine Tempel oberhalb der Scheiterhaufen – eigentlich wie immer. Aber heute war das ganze Gebäude mit tausenden von blinkenden Lichtern bestückt. Und davor waren ca. 20 Lautsprecher zu einer mannshohen Schallwand aufgetürmt. Mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke entfuhr ihnen Musik, die ich durchaus als indische Discomusik bezeichnen würde. In Wahrheit bzw. für indische Ohren waren das aber ganz ganz heilige Lieder, nur halt etwas „aufgepeppt“. Und dazu die Weihnachtsbeleuchtung! Unfassbar. Irgend ein wichtiger heiliger Mann saß in dem Tempel. Ich riskierte auch einen Blick. Der Gute war vielleicht Mitte 30 , hatte lange Haare und sonst nicht viel am Leib. Er saß da unter einem Baldachin aus Blumengirlanden und sang seine Mantras in den nächtlichen Himmel und die Gemeinde klatschte sich in Ekstase. Untermalt von Disco-Klängen!

Und keine 5 Meter daneben saßen die Angehörigen und trauerten mitten in diesem Irrsinn um ihre Angehörigen, die gerade vor ihnen in Flammen aufgingen.  Und man konnte den Eindruck gewinnen, dass heute ein ganz besonders guter Tag war, um verbrannt zu werden. Irgendwie unterhaltsamer und heiliger als sonst. Das gibt’s halt nur in Indien!

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Ghat mit Euch

Morgen früh werde ich Varanasi in Richtung Rishikesh verlassen. Die letzten Tage waren sehr schön hier, aber jetzt reicht’s auch wieder. Heute habe ich ein T-Shirt entdeckt mit dem Aufdruck: „No Boats, No Massage, No Drugs, No Postcards, No Silk, NO PROBLEM!“. Da hätt ich mir gleich am ersten Tag kaufen sollen. Hätte vielleicht das ein oder andere von vorneherein klar gestellt 😉 , mich aber vielleicht auch um die ein oder andere Erfahrung gebracht….

Gestern abend habe ich dann auch endlich meine Puja-Kerzen in den Ganges entlassen. Insgesamt waren es 15 Schälchen mit Kerzen und Blumen, die ihren Weg Richtung Meer angetreten sind. Aber eigentlich schwimmen sie ja in Richtung Herzen… Während das Anzünden und ins Wasser setzen nicht ganz so war, wie ich mir das vorgestellt hatte – du bist halt hier nirgendwo für dich und darfst auch nicht wirklich Rücksicht erwarten – war mein Gebet für alle, die mir zu Hause lieb und wichtig sind um so intensiver. Ich hoffe, ein wenig davon ist bei euch angekommen! Und jetzt nicht streiten, wer dabei war oder nicht! Für jede(n) war ein Plätzchen im Schälchen! 🙂

Gefühlt bin ich bereits ein halbes Leben hier, und das Erlebete reicht auch für mindestens ein Leben, tatsächlich sind es gerade mal etwas mehr als 3 Wochen. Und 4 Wochen liegen noch vor mir. Was wird mich wohl noch erwarten? Jetzt geht es erst mal Richtung Himalaya. Vielleicht find ich ja die Ruhe, mich 1 oder 2 Wochen in Rishikesh in einen Ashram zurückzuziehen und mit dem stillen Teil der Reise zu beginnen. Aber es ist nicht einfach die Bremse zu finden, wenn du immer in Bewegung bist… und das Land ist so riesig und es gibt sooo viel zu sehen und zu erfahren. Wir werden sehen. Wenn der Trek nach Gangotri zur Gangesquelle möglich ist, möchte ich den auf jeden Fall mitnehmen. Dann geht’s auf 3500 Meter rauf und ringsum stehen die 6- und 7Tausender der Himalaya-Ausläufer. Da krieg ich jetzt schon Gänsehaut, wenn ich es mir nur versuche vor zu stellen… Aber, wenn ich eines hier gelernt habe, dann dass meine Vorstellungen und die Realität nur ganz ganz selten übereinstimmen 😉 Manchmal werden sie übertroffen und manchmal, na ja… ihr habt’s ja gelesen. Zumindest war’s bis heute nicht einmal langweilig!

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