Um kurz nach 9 hab ich das Boot nach Elephant Island bestiegen. „Very fast boat, Sir!“ Ja, ja, genau so sieht das auch aus. Schätze bei mehr als 5 Knoten Geschwindigkeit zerfällt alles in seine Einzelteile. „Very fast“ bedeutete dann aber wohl nur, dass ich nicht mehr als eine halbe Stunde gewartet habe, bis es dann endlich los ging, und wir vom Gates of India ablegten. Der Kapitän nahm also direkte Fahrt auf die Insel vor Mumbai auf. Dachte ich jedenfalls. Aber das ist ja das schöne an Indien. Es sind die Geschichten am Rande, die mich immer wieder schmunzeln und manchmal auch herzhaft lachen lassen. Also, kurz bevor wir ablegten stiegen lärmend und lachend noch ca. 20 Arbeiter mit großen blauen und grünen Kanistern zu uns aufs Boot. Wie sich gleich herausstellen sollte waren das die Versorgungstrupps, die den anderen Booten etwas weiter draußen im Hafen Sprit und Wasser brachten. Hier hilft man sich halt gegenseitig – und wenn’s noch eine logistische Herausforderung zu meistern gilt, sind die Inder sofort Feuer und Flamme. Angesichts der mehreren hundert Liter Sprit an Bord hielten sie sich heute aber glücklicherweise damit zurück…
Wir fuhren also eine gefühlte Stunde (in Wirklichkeit wahren es wohl nur 15 Min) kreuz und quer im Hafen herum, bis auch der letzte Mann sein Boot gefunden und die ihm anvertraute Ladung samt seiner selbst abgeliefert hatte. Jetzt ging’s dann aber wirklich los. Das Meer hatte eine Farbe, die zwischen hell- und dunkelbraun variierte. Die Blicktiefe dürfte so im Nano-Bereich gelegen haben. Wenn da einer rein fällt, nicht auszudenken. Und kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, schwamm uns ein lachendes Inderle im Rettungsreifen entgegen. Er nahm wohl ein erfrischendes Bad im Meer. Mahlzeit. Von uns hätte das wohl keiner auch nur einen halben Tag lang überlebt…
Circa halb Elf Uhr. Ankunft auf Elephant Island. Über einen Damm ging es ca. 1 Kilometer bis zum Festland. Die Strecke konnte man mit einer lauten und stinkenden Dampflok wie man sie aus Freizeitparks kennt zurücklegen. Ich ging zu Fuß. Mit mir vielleicht noch 5-6 andere. Endlich mal Ruhe! Kein Hupen, kein hektisches Treiben. Nur Ich und das Meer und die Insel. „Sir, need Guide Sir? I’m good Guide! Where you coming from?“ Na gut… „Germany“ sagte ich. „Oh Germany, I lived in Munich for some time“ „Really? I live near Munich, what did you do in Germany?“ „Sir, need Guide? I’m good Guide!“ „I’m sure you are, but I don’t want a Guide“ Ich will einfach nur mal meine Ruhe haben… Und weg war er. Wieder Ruhe… Die Verkäuferinnen am Damm boten auf angenehm zurückhaltende Weise Früchte und Beeren an. Aber auch auf die Masche bin ich nicht reingefallen. Einfach weiter gerade aus. Die Insel hat „natürlich“ einen Eingang. Der ist dafür da, dass es der Verwaltung leichter fällt, die 5 Rupees Tax zu kassieren. Aber die zahle ich gerne, da das Geld für den weiteren Erhalt der Tempelanlagen verwendet wird.
Erst mal ’ne Flasche Wasser kaufen. Die Hitze ist hier draußen schon enorm. Trotz des Windes vom Meer. Und dann beginnt er. Der Aufstieg zur Höhlenanlage. Knappe 40° C und vor mir eine schier endlose Steintreppe. Aber das war es nicht, was mich schreckte. Auf mich, und alle die noch kommen sollten, lauerten dutzende Verkäufer, jede Sekunde bereit, dir ihre „is best“-Produkte anzupreisen. Heiliger Shiva! Hier hilft nur der Zustand völliger innerer Einkehr. Also: Alles Ausblenden…
Am Eingang zur Tempelanlage dann noch mal 250 Rupees abgedrückt. Die sind es allein schon wert um nur die Horden an Verkäufern hinter sich zu lassen.
Um so drastischer war dann der Anblick der Statuen in den Tempelhöhlen. Die Höhle dürfte eine Fläche von ca. 150 qm und einer Höhe von knapp 6-7 Metern haben und wurden samt ihrer Statuen in einem Stück aus dem Felsen gemeißelt und so dem Berg abgerungen. Sie ist Gott Shiva geweiht und die Statuen zeigen dessen unterschiedliche Aspekte. Shiva der Yogi, der Tänzer, der Bezwinger der Dämonen und einige mehr. Und eine der schönsten und überwältigsten Steinarbeiten, die ich in meinem Leben gesehen habe, befindet sich an der Stirnseite der Höhle. Mahesh Murti. Der vollkommen verwirklichte Shiva. Die dreiköpfige Büste hat eine Höhe von knapp 6 Metern. Sie zeigt links im Profil den zerstörerischen, männlichen Aspekt Shivas „Bhairava“, rechts den weiblichen Aspekt Uma. Und das mittlere, dem Betrachter zugewandte Gesicht bildet den verwirklichten Shiva ab, der in sich beide Aspekte vollkommen integriert hat.
Es ist nicht die gewaltige Größe, die mich umhaut, selbst jetzt noch während ich diese Zeilen schreibe, es ist der Gesichtsausdruck Shivas. Das Hauptgesicht zeigt den Aspekt Mahadeva. Wenn ich je ein Bild für Vollkommenheit gesucht hatte, hier stand es vor mir. Ich kann das nicht wirklich beschreiben. Nur fühlen. Mein Herz fließt über und ich hab mal wieder Tränen in den Augen, so sehr berührt mich die Schönheit und Kraft dieses Gesichtes. Om Shivaja!
Es fällt mir schwer mich von dem Anblick zu lösen, aber Hilfe naht. „The cave is build from one part in the rocks. This is Shiva…“ Ja, ja, and I am your guide, ich weiß schon. Ich dreh mich um und zu meiner Überraschung steht da ein junger uniformierter Mann. Einer der Wärter in der Höhle. Ich hör mir an was er zu sagen hat, es ist aber nichts wirklich neues oder interessantes. Auf meine Frage wackelt er mit dem Kopf und erzählt einfach weiter. Gar nicht erst ignorieren… Ich erwähne das deshalb, weil ich nachdem ich die anderen Höhlen angeschaut habe noch 2 weitere Male in die Haupthöhle zurück bin. Vielleicht wollte ich ja wissen ob die Statue Shivas nur beim ersten Anblick eine derartige Wirkung auf den Betrachter hat. Aber es wurde jedes Mal noch heftiger. Und jedes Mal kam der gleiche Wärter nach wenigen Minuten und sagte immer wieder seinen Spruch auf. Kein neues, kein anderes Wort verließ seinen Mund. Alles auswendig gelernt! Und er tat das auf seine unnachahmliche Weise, gerade als ob er mich zum ersten Mal sähe, dreimal hintereinander. Unfassbar! Beim dritten Mal, als er wieder ansetzte, seinen Spruch aufzusagen konnte ich mich nicht mehr halten und fing an laut zu lachen. Was den Wärter sichtlich irritierte. Aber er nahm das als Zustimmung zu seinem fundierten Wissen über die Anlage und setzte seinen Vortrag fort. Vielleicht ist er der Erleuchtung ja näher als uns allen und ihm selbst bewusst ist. Immer noch lachend verließ ich die Höhle.
Dann ging’s zurück zum Boot. Das gleiche Ritual. Is-Best-Products wohin das Auge blickt. Aber jetzt hatte das alles etwas sehr warmes und humorvolles. Ich bedankte mich bei jedem Verkäufer mit einem gütigen und entschieden verneinenden „Sorry“ und erreichte nach 15 Min. das Boot zurück nach Mumbai. Und das Lächeln in meinem Gesicht hielt noch den ganzen Tag an.
Ach ja, auch die Hafenrundfahrt wiederholte sich. Nur dass wir dieses Mal die Arbeiter mit leeren Kanistern auf ihren Booten abholten und sie zurück an Land brachten… Das war ein guter Tag!
…war vor einiger Zeit in Nepal…thank you for generating warm memories….und für das Licht, das Dein Blog ins winterliche Bayern sendet :-)) Namaste!
Hab das Relief gegooglet – schon die Fotos davon sind sehr schön. Das stelle ich mir sehr beeindruckend live vor – hört sich toll an…
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wusste gar nicht dass du so wundervoll schreiben und erzählen kannst. Während des Lesens war ich fast s chon in Indien. lg Gabi